Logo Bernhard Sauter Bernhard Sauter

Kristina Ericson (© Copyright):

Eröffnungsrede zur Ausstellung beim Kunstverein in Frauenfeld

1996


"Sich einem Bild nähern, heisst, seine Stille suchen."

Werke von Bernhard Sauter. Das ist für mich persönlich ein im wahrsten Sinne alltägliches Thema, da ich zu Hause mit mehreren, sehr verschiedenen Bildern und Skulpturen von Bernhard Sauter (zusammen-)lebe und mit ihnen täglich in stummem Zwiegespräch bin. Werke von Bernhard Sauter ist ein Thema, das fasziniert und stets lebendig bleibt. Warum dies so ist, will ich anhand von drei Stichworten aufzeigen, nämlich Mensch - Vielfalt - Geheimnis.

Mensch, Menschen: ein zentrales Motiv im Schaffen Bernhard Sauters. Auch er selbst geht auf die Menschen zu, hat stets ein waches Auge auf dem Weltgeschehen. Darum zuerst ein kurzer Abriss zum Menschen Bernhard Sauter.

Geboren 1941 in Schaffhausen, wo er auch die Schulen besuchte. Die Lehre als Bauzeichner entsprach der Wahl eines "Vernunftberufs", denn der Wunsch und die Absicht, Maler zu werden, hatten sich schon früh herauskristallisiert. So stand es für ihn stets im Vordergrund, neben der Berufsausübung so viel Zeit wie möglich dem Malen widmen zu können. War er zunächst 8 Jahre in einem Architekturbüro für Bauführungen zuständig, eröffnete sich ihm über einen Architekten, der für die Filmbranche tätig war, eine neue Wett. Ursprünglich als Assistent vorgesehen, sah sich Bernhard Sauter plötzlich vor die Aufgabe gestellt, in seiner ersten Filmarbeit - ein Film von Kurt Gloor - die alleinige Verantwortung für die Ausstattung zu übernehmen. Es folgten elf spannende Jahre beim Film; Ausstattungen für schweizerische und deutsche Produktionen wurden ihm übertragen, wozu auch Fernseharbeiten gehörten, etwa eine 13teilige Serie in schweizerisch-deutsch-französischer Co-Produktion.

Diese Zeit brachte Bernhard Sauter nicht nur vielfältige menschliche Begegnungen, sondern auch Einblicke in Milieus äusserst kontrastreicher Natur, wie Klöster, Gefängnisse, Bordelle. Aber auch Landschaften hinterliessen prägende Eindrücke, wie etwa die Bretagne, wo er trotz der Beanspruchung durch die Filmarbeit viele Inspirationen für die Malerei in sich aufnehmen konnte. Ein weiterer Vorteil seiner Filmengagements war nämlich der Umstand, dass er stets pro Film angestellt wurde und dazwischen gänzlich frei war, seiner künstlerischen Tätigkeit nachzugehen.

In dieser Zeit eignete er sich immer neue Techniken an, durchforschte Unmengen von Fachbüchern, erlernte autodidaktisch die Radiertechnik und versuchte doch immer, seinem obersten Prinzip treu zu bleiben: nämlich das künstlerische Wirken stets als ein Lernen aus dem Beobachten, dem geduldigen, aber auch lustvollen Zuschauen - etwa der Arbeit eines Steinmetz' - zu verstehen, als ein von nie nachlassender Neugier geprägter Weg, dessen Ziel die spielerische Leichtigkeit ist. Bernhard Sauter nennt in diesem Zusammenhang das Vorbild Zirkus: die Kunst, mit einem Lächeln das Schwierigste der Welt zu bewältigen und hinter sich zu lassen.

Wertvolle Impulse brachten auch Atelieraufenthalte im Zusammenhang mit Stipendien in Genua und Paris.

Seit 1986 ist Bernhard Sauter freischaffend. Er wohnt in Mülligen, Kanton Aargau.

Obwohl häufig der Mensch im Zentrum seiner gestalterischen Aussage steht, bleibt sein Schaffen nicht darauf beschränkt. Bernhard Sauter malt auch Landschaften, Häuser, Strassenszenen. Nur sind diese nie blosses Abbild oder auch nur eine Art Bestandesaufnahme, Tatsachenbericht.

Es ist nicht das ruhende Auge, sondern stets das reflektierende Auge des Künstlers, das die Umgebung in sich aufnimmt:

- Was machen die Menschen mit und in der Landschaft?
- Was für ein Leben spielt sich hinter dieser Häuserfassade ab?

Und vor allem:

- Was lösen diese Landschaften, seien sie ländlicher oder städtischer Natur, in mir aus, welche Assoziationen wecken sie, welche Gefühle, Stimmungen?

Schlicht: Für was stehen sie?

So entstanden die Paris-Bilder: angedeutete Dächerlandschaften, rostige Erinnerungen, Gerüche und Geräusche in Farben aufgesogen.
So entstanden die Venedig-Bilder: durchsichtige Palazzi, in pastellenen Aquarellen nur Hülle um verborgene (Traum-)Welten, isoliert, zerbrechlich und doch hoffnungsfroh, da Freiräume gewährend, im Bildzentrum.
So entstanden die Genua-Bilder: auf wenige Konturen reduzierte Landschaften, die vom Licht und nicht von der topographischen Wiedergabe leben, eigentliche Lichtstimmungen, die Zeit brauchen, bis sie sich - wandlungsfähig - offenbaren.

Ein typisches Beispiel, wie Bernhard Sauter den Menschen in seinem ganzen Wahrnehmungsnetz und Gesellschaftsgefüge thematisiert, stellen auch seine kleinformatigen, an Hieroglyphen gemahnende Bilder dar, meist in Mischtechnik Aquarell / Tusche.
Versponnen, durchaus spielerisch-sinnlich, aber immer auch analytisch und nicht zuletzt mit einem Augenzwinkern kombiniert er verschiedenste Figuren, Objekte, Symbole und Schriftzeichen.
So können uns in einem Bild Mühlespiel neben Galgen, bewässernder Gärtner neben Uhr ohne Zeiger, Köpfe verschiedener Grösse neben Irrgärten ohne Lösung oder Tore zu nichtexistenten Städten begegnen.

Auch wo scheinbar nur ein Mensch, eine Figur dargestellt wird, konfrontiert uns Bernhard Sauter mit verschiedenen Facetten unseres Daseins und Fühlens. Wir begegnen auch menschlichen Schwächen. Plötzlich werden wir uns der Ausstrahlung bewusst, die von einer Person ausgehen kann. Eine hockende Papiermaché-Skulptur verbreitet sinnliches In-sich-Ruhen, während eine zarte Menschengruppe derselben Machart für Angst, Bedrohung, Hilflosigkeit steht oder ein aus Stein gehauener, fragmentarisch kolorierter Kopf je nach Lichteinfall neue Gesichts- und Charakterzüge freilegt.

Eigentlich führt die Schilderung, wie Bernhard Sauter das Thema Mensch angeht, bereits zu meinem nächsten Stichwort: Vielfalt.

Vielfalt an Begabungen, Interessen und Entwicklungsmöglichkeiten. Vielfalt in Thematik und Technik.
Entscheidend ist dabei Bernhard Sauters eigentlicher "Entdeckungshunger". Auf anderem Gebiet schlägt sich dies etwa in der Abenteuerlust im Reisen nieder, das ihn - die jüngsten Reisen führten in unbekannte Gegenden Tunesiens - begeistert von neuen Farben und Düften wiederbringt.
Experimentierfreude steht sinnbildlich für sein Schaffen, das Spiel in seiner Selbst- und Absichtslosigkeit, jedoch weit entfernt, Ernsthaftigkeit zu kontrapunktieren, ist zentral. Das Aneignen neuer Techniken (wie etwa der Hinterglasmalerei) und das Vortasten zu neuen Materialien (wie etwa dem Stein) bergen immer auch einen gewissen Nervenkitzel. Das Scheitern gehört ebenso dazu wie das Gelingen. Aber: nichts und nie ist Stillstand.

Indem sich Bernhard Sauter in stetem Nebeneinander verschiedenen Techniken widmet, kann er seine eigene innere Vielfalt voll ausleben.
Grosse, eruptive Gestik führt zu Ölbildern, die teils in düster-pastellenen, meist aber in leuchtenden Farbtönen Beziehungen in Frage stellen oder aber klare, auch provokative Aussagen in den Raum stellen, Aussagen, welche unser bedrohtes Umfeld in den Vordergrund rücken (vgl. das Triptychon "Menetekel").
Jüngeren Datums ist Bernhard Sauters Beschäftigung mit Hinterglasmalerei, einer Technik, die eher der Volkskunst (der Votiv- und Bauernmalerei) zugeschrieben wird. Hier gänzlich neue Motive einzubringen, reizt ihn ebenso wie das Improvisatorische, das diesem Vorgehen inne wohnt. Lustbetont kann er Zeichnerisches wie Malerisches umsetzen und sich diesem Prozess, der von grosser Wandelfähigkeit gezeichnet ist und an dessen Beginn sich Bernhard Sauter selbst sieht, hingeben.
Aquarell , Zeichnung und Druckgrafik spiegeln in besonderem Masse sein sensibles Vermögen, Hintergründiges in nur andeutendem Strich zum eigentlichen Inhalt zu machen.
In der Skulptur schliesslich kommt die sinnliche Komponente speziell zum Tragen, sei es während des Gestaltungsprozesses am verwendeten Material, neuerdings auch dem Stein - Bernhard Sauter hat sich zu diesem Zweck zu Hause ein Freituftatelier eingerichtet - oder auch in der Thematik, die ausschliesslich der menschlichen Gestalt gilt.

Auch mein letztes Stichwort schwang schon im bereits Erzählten mit und bestätigt nur, wie vernetzt die künstlerische Welt von Bernhard Sauter ist. Das letzte Stichwort heisst: Geheimnis.

Kunst ist Kunst, wenn sie ein Geheimnis bewahrt.
Wenn wir etwas Letztes, Unergründliches dahinter erahnen.
Wenn sie uns die Freiheit lässt, ureigene Empfindungen - bei jedermann andere - zu mobilisieren.
Für mich ist dies im Schaffen von Bernhard Sauter in hohem Masse der Fall.

Und ich denke, wenn Sie jetzt durch die Ausstellung wandern und mit innerer Offenheit an die Werke herantreten, Bekanntes wie Unbekanntes in sich aufnehmen und dem Erlebten nachspüren, so ist dies ganz im Sinne Bernhard Sauters.


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© Copyright: Bilder + Werke Bernhard Sauter / Fotos + Texte Eva Sauter Lemmenmeier