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Eva Sauter (© Copyright):

Eröffnungsrede zur ersten Nachlassausstellung

in Mülligen, 1999


Liebe Anwesende
Liebe Freunde der Kunst von Bernhard Sauter

Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie so zahlreich zur ersten Nachlassausstellung gekommen sind. Bernhard würde sich sehr darüber freuen, so wie er sich auch darüber gefreut hat, dass seine letzte Ausstellung im September 1997 in Horw ihn nochmals mit vielen Freunden zusammengebracht hat, ahnend, dass es wohl ein Abschied für immer sein werde.

Das künstlerische Talent von Bernhard hat sich schon früh manifestiert. Als Erstklässler hat er sehr zum Missvergnügen seiner Lehrerin sämtliche Ränder seiner Schulhefte mit Zeichnungen und Ornamenten verziert. Sie wollte ihn in der Folge sogar in die Spezialschule für Schwachbegabte versetzen, weil er ja nicht in der Lage sei, ein sauberes Heft zu führen. Bernhards Mutter konnte dieses Unheil gerade noch abwenden. Der Zeichnungsunterricht in den folgenden Schuljahren hat Bernhard aber nicht interessiert, weil er zu einengend war.

Als 12jähriger hat ihm ein Verwandter, der in einer Farbenfabrik tätig war, Oelfarben als Geschenk mitgebracht, und damit kam der Stein ins Rollen: Bernhard begann sich für die Malerei zu interessieren und damit zu experimentieren. Als 15jähriger durfte er im Herbst 1956 erstmals mit einem Kollegen per Autostop nach Paris. Ein Buch über das Leben der Tänzerin Jane Avril hatte ihn so fasziniert, dass er den Lebensstationen dieser ungewöhnlichen Frau und deren Freunde nachspüren wollte. Das kleine Bild am Kamin, das die Place St André des Arts zeigt, entstand während dieser Reise und ist mit viel Glück erhalten geblieben. Den ganz speziellen, mit Ornamenten verzierten und einer Widmung versehenen Rahmen machte Bernhard 23 Jahre später dazu.

Mit dem Beginn der Lehre als Bauzeichner bezog Bernhard sein erstes Atelier in der Wohnung von Fräulein Böhni im obersten Stock der berühmten Apotheke zum Glas in der Schaffhauser Altstadt. Durch einen Alkoven, wo die Luft so muffig war, dass man den Atem anhalten musste, kam Bernhard in ein kleines Hinterzimmer. Die aus dieser Zeit erhaltene Zeichnung No. 1 zeigt die Aussicht aus diesem Atelier über die Dächer der Altstadt von Schaffhausen. Das freundliche, alte Fräulein Böhni, das ein Leben lang für Gotteslohn Posamenten gestickt hatte, kam gerne auf einen kleinen Schwatz zu ihrem Untermieter, der immer wie folgt eingeleitet wurde: Zaghaftes Klopfen, die Türe einen Spalt öffnen, den Kopf hineinstrecken und schüchtern fragen: "Äxgüsi Herr Sauter, mached sie wieder öppis schöns?" Das war der Vorwand, um alsdann aus ihrem Leben und ihren Erfahrungen mit Pfarrer X und Vikar Y oder Schwester Z zu berichten, bis der geduldig und höflich zuhörende Bernhard eingreifend vermeldete, dass er jetzt leider noch vieles zu tun habe. Als Fräulein Böhni dann gar noch an Weihnachten mit Tannenzweig, Kerze und Weihnachtsguezeli auftauchte, gerade das, was Bernhard ja vermeiden wollte, muss es ihm langsam zu viel geworden sein mit den Störungen. Er fand an der Stadthausgasse eine ebenerdige Werkstatt in einem Innenhof bei der alten Frau Klausner, die einen Devotionalienhandel betrieb und sich nicht weiter um ihren Mieter kümmerte. Zu Hause war Bernhard kaum mehr anzutreffen, nur noch gerade für spärliche Nachtstunden. Er verbrachte fortan praktisch seine ganze Freizeit einschliesslich Wochenden, Ferien und Feiertagen in seinem Atelier. Er hatte ein eigenständiges Leben als Künstler begonnen.

Bernhard war Autodidakt. Schon als Kleinkind überschüttete er seine Mutter mit Fragen über Fragen. Vor allem interessierten Kleinbernhard offenbar die Buchstaben. Immer wieder musste ihm seine Mutter diese vorschreiben und deren Bedeutung erklären. Als er eingeschult wurde, konnte Bernhard lesen und schreiben: Er hatte es sich selbst beigebracht. Diese Anekdote ist symptomatisch für sein ganzes Leben: etwas selber erlernen wollen. Er besuchte keine Kurse, er wollte weder an eine fortbildende Schule noch an eine Akademie. Er lernte aus Büchern, mit Sehen, Beobachten, und er lernte aus dem Arbeiten heraus. Er hatte immer Visionen, dass seine Kunst noch besser werden sollte. Er ist ein Künstler, der nie stehengeblieben ist, sondern sich immer weiter entwickelte. Wäre er in einem andern Jahrhundert geboren worden, sagte er hin und wieder, hätte ihn seine Abenteuerlust in weisse Flächen der Landkarte verschlagen. In unserer Zeit, wo der hinterste Winkel der Erde erforscht ist, interessierte ihn dieses Abenteuertum nicht mehr, er sagte oft, dass die Kunst das letzte Refugium sei, in unerforschtes Gebiet aufzubrechen.

Bernhard hat mit grosser Disziplin gearbeitet. Es gab bei ihm kein Warten auf den Musenkuss. Er arbeitete bis zu 18 Stunden am Tag, und aus dem Arbeiten heraus kam er unversehens, manchmal auch erst nach langen Monaten, auf das Neuland, das er anvisiert hatte, ohne vorher zu wissen, wo er es finden würde. Er pflegte zu sagen, 10% sei Talent, und 90% sei Arbeit, schränkte aber gleichzeitig ein, dass das nicht für jeden Künstler zutreffen würde.

Er war neugierig auf alles, was das Leben ihm brachte: Personen, Situationen, Städte, Länder, Landschaften, Dinge. Seine Augen sahen immer viel mehr als die meinen. War er alleine auf Reise, muss er fast rund um die Uhr meist zu Fuss unterwegs gewesen sein, fasziniert von all dem Neuen und Unbekannten. Er war ohne Furcht, ging allein in die Schwarzenviertel in Marseille und New York oder mit einem Führer in den thailändischen Urwald zu Ureinwohnern, die noch nie einen Weissen gesehen hatten.

Bernhard hatte das Glück, zweimal mit Stipendien für einen längeren Atelieraufenthalt verreisen zu können, das erste Mal 1983 nach Genua in das Atelier der Stadt Zürich. Es befand sich im Herzen der Altstadt an erhöhter Lage im umgebauten Kreuzgang eines säkularisierten Klosters mit Blick über die Altstadt Genuas und einen winzig kleinen Teil des Hafens. Es war eine absolut ungewöhnliche Wohn- und Arbeitssituation in diesen hohen Räumen mit Kreuzgewölben. In dieser Zeit entstand sein zeichnerisches Hauptwerk, das hier ausgestellt ist. "Da Hilole", auch Titel des mehrteiligen Bildes, war eine Bar, in welcher vorwiegend Schwarze verkehrten und in der Bernhard hin und wieder einen Apero nahm. Das zweite Stipendium brachte Bernhard 1987 nach Paris in das Atelier des Kantons Zürich in der Cité Internationale des Arts. Beim ersten Telefon nach seiner Ankunft in Paris meinte er, es werde wohl nicht möglich sein, hier zu arbeiten, eine 16spurige Stadtautobahn direkt unter seinen Fenstern sorge für einen 24stündigen höllischen Dauerlärm. Irgendwie hat er doch die für seine Arbeit absolut unerlässliche Konzentration gefunden. Er kam mit unglaublich vielen, wunderschönen, bis grossformatigen Stadtlandschaften in Oel nach Hause. In Paris entstand auch die kleine Zeichnung No. 16 am Treppenaufgang.

Zeichnen war für Bernhard eine Lebensnotwendigkeit. Es gab kaum einen Tag, an welchem er nicht wenigstens eine Zeichnung angefertigt hätte. Seine Zeichnungen führen wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk. Deshalb wollte ich diese erste Nachlassausstellung seinen Zeichnungen widmen, die neben seinem andern Werk immer etwas im Schatten standen, obwohl er doch schon lange seinen ganz eigenen und unverkennbaren Stil gefunden hatte. Mit grosser Leichtigkeit und Kühnheit führte er seine Feder übers Papier. Es gibt Zeichnungen, die aus Hunderten von Strichen entstanden sind, andere kommen mit einigen wenigen kühnen Bogen aus. In diesen Zeichnungen ist so vieles zu lesen, und das Wunderbare ist, dass jeder wieder etwas anderes darin sehen und spüren darf. Bernhard nagelt nicht fest, er gibt die Freiheit, in seinen Zeichnungen und auch in seinen Bildern das zu finden, was in uns selber klingt.

Ich möchte noch danken: meinem Lebensgefährten Albert Lemmenmeier, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht in allen Belangen der Nachlassausstellung und des Nachlasses überhaupt; meiner Tochter Manuela und Schwiegersohn Stefan, die beim Einrichten der Ausstellung geholfen haben, Stefan im speziellen für das Rahmen der grossen Zeichnungen, Hannes Froelich, der zwei Wände neu gestrichen hat, und Ihnen allen, dass Sie den Weg nach Mülligen auf sich genommen haben und damit Ihre Verbundenheit mit Bernhard zum Ausdruck bringen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen viel Sehvergnügen.

Eva Sauter


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