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Eva Sauter (© Copyright):

Eröffnungsrede zur 2. Nachlassausstellung

zum 60. Geburtstag von BERNHARD SAUTER vom 31.3.2001 und 1.4.2001 in Mülligen


Liebe Freunde der Kunst von BERNHARD SAUTER

Es freut mich ganz herzlich, Sie zur zweiten Nachlass-Ausstellung mit Werken von BERNHARD SAUTER begrüssen zu dürfen. Am Freitag, den 30. März 2001, hätte Bernhard seinen 60. Geburtstag feiern können. Mit dreiwöchiger Verspätung auf den errechneten Geburtstermin kam Bernhard auf den Tag genau ein Jahr nach der Verheiratung seiner Eltern am Palmsonntagmorgen 1941 zur Welt. Ein grosser, gesunder Knabe, über 4,5 kg schwer. Seine glücklichen Eltern wollten ihn Hansruedi taufen, doch der Geburtshelfer, ein Schulkollege des Vaters, beschied: " Nüt isch, dä heisst Bernhard wiä dä Alt." Bernhard hat diese Anekdote gerne bei passender Gelegenheit erzählt und dabei immer betont, wie dankbar er diesem Arzt für seine autoritäre Intervention sei, denn Hansruedi hätte er nicht heissen wollen.

Dass Bernhard dereinst eine künstlerische Tätigkeit ausüben sollte, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater war Sattler, seine Mutter hatte Verkäuferin gelernt, wäre aber viel lieber Schneiderin geworden. So hatte sie ihr grosses Naturtalent für Stoff, Nadel, Faden und Schere ein Leben lang als äusserst geschickte Amateurin ausgeübt. Die Sauter-Kinder waren immer nach dem neuesten Modetrend, homemade, eingekleidet. Bernhard erinnerte sich an ein Samba-Hemd, das plötzlich in Mode kam. Es war nicht etwa in grellen Farben, nein, schön brav in dezenten Tönen, aber, damals noch ungewohnt, wurde es über die Hose getragen wurde. Der Lehrer rügte ihn dafür, er solle zum nächsten Schultag mit einem anständigen Hemd erscheinen. Von seiner Mutter muss Bernhard dieses Talent und diese Begabung für das Selbst-machen-Wollen mit ganz wenigen Mitteln ererbt haben. Von der Seite von Bernhards Vater kam wohl das künstlerische Talent, das in dessen Familie überall herumspukte: Cousins wie Fredi Deola, ein in Schaffhausen tätig gewesener Neben-dem-Beruf-Maler, Beat Schoch, ein sehr guter, in Luzern wirkender Architekt, ein blinder Onkel, der Organist und Korbflechter war, die Liste liesse sich beliebig erweitern.

Bernhard verlebte eine glückliche Kindheit und Jugend. Höhepunkte waren jeweils die Tage, an denen der Zirkus Knie ganz in der Nähe gastierte. Bernhard war in jeder freien Minute dort anzutreffen, und manchmal, aber nicht jedes Jahr, durften die Sauter-Kinder mit ihren Eltern eine Vorstellung besuchen. Anfangs der 50er Jahre grassierte eine Kinderlähmungsepidemie in der Schweiz. Für Samstagnachmittag hatte Familie Sauter Billette für den Zirkus Knie besorgt, und Bernhard hatte starke Kopfschmerzen, die er aber wegen des bevorstehenden Zirkusbesuches herabzuspielen versuchte. Seine Mutter insistierte, dass der Arzt aufgesucht werden müsse, der dann prompt einen Verdacht auf Kinderlähmung aussprach. Bernhard musste ins Spital, wo der Verdacht bestätigt wurde. Der Zirkusbesuch fiel ins Wasser, eine damals ganz grosse Katastrophe für Bernhard, aber dank der frühen Erkennung genas er, ohne ein Leben lang an körperlichen Folgen leiden zu müssen. Der Zirkus aber und die Welt des Zirkus haben Bernhard ein Leben lang fasziniert. Immer wieder tauchen clownartige Figuren und Zelte in seinen Bildern auf.

Hier nun sind all jene wenigen Bilder versammelt, in denen Bernhard ganz Persönliches dargestellt hat. Eine Zeichnung aus dem Jahre 1960 (Bernhard war damals gerade 19 Jahre alt) und ein kleines Oelbild von 1978 bringen Bernhards Kindertage zurück. Einige wenige Spielsachen, die Bernhard am Herzen gelegen sind (viele gab es ja damals nicht), ein Vorhang, ein Gummibaum, eine schützende Hand und mitten drin Bernhard. "Kleiner König" nannte er denn auch das kleine Oelgemälde. Seine Geschwister haben in dem kleinen Meisterwerk Bernhards Erinnerungen an die damalige Wohnstube wiedererkannt. - Erst 13 Jahre später, 1992, ein Jahr nach seinem schweren Herzinfarkt, hat Bernhard erneut zum Pinsel gegriffen, um diesen düsteren Novembertag darzustellen, an welchem er während der Generalversammlung der GSMBA einen schweren Herzinfarkt erlitt. Schwer beladen mit einer Mappe in der Hand, macht er sich im Schneeregen davon, den Rücken dem Bildbetrachter zugewendet, einen Hut auf dem Kopf, der Bernhards Gesicht unseren Blicken entzieht. - 1994 stellte Bernhard sein Leben als Maler in einem vierteiligen Opus dar. Im ersten Bildviertel sehen wir ihn im Überschwang der Jugend, dann die Besinnung und Konzentration auf seine Lebensaufgabe, die Kunst. Der dritte Teil dieses Bildes ist wohl seiner Begegnung mit dem Tod gewidmet, damals beim schweren Herzinfarkt. Im letzten Bildviertel ist seine Vereinsamung als Künstler dargestellt. Bernhard hatte zwar einen Sammlerkreis, der seine Werke wohl zu schätzen wusste, doch in der offiziellen Kunstszene geriet er mehr und mehr ins Abseits. Als Bernhard starb, hatte er keine Galerie mehr, die ihn hätte ausstellen wollen, denn seine Kunst lässt sich nicht einer Kunstrichtung zuordnen, er hat etwas ganz Eigenständiges geschaffen, das man nicht dieser oder jener "Schublade" zuordnen kann. -1997, unheilbar erkrankt, schuf er dieses Abschiedsbild, das er "Hasta la vista" nannte, zu Deutsch "Bis zum nächsten Mal". Er zieht den Hut, um Adieu zu sagen, ein Auge ist blau, wie wenn er damit sagen möchte, er sei im Leben mit einem blauen Auge davon gekommen. Es ist ein heiteres Bild und zeugt auch davon, wie grossartig Bernhard mit seiner schweren Krankheit umgehen konnte. Er pflegte zu sagen: "Das ist die Natur, sie ist stärker als alles andere, ich bin Teil dieser Natur und ihren Gesetzen unterworfen." - Auch das Oelbild "Kassandra" beim Kelleraufgang ist in den letzten Lebensmonaten entstanden und zeigt eine Figur aus dem venezianischen Carneval, bedroht von einer Tod-ähnlichen Gestalt. Ende der 70er Jahre waren wir im Februar in Venedig. Damals sahen wir staunend die ersten neuerstandenen Carnevalsfiguren durch die engen Gassen und die weiten Plätze von Venedig gleiten. Später, im Winter 1980, hatte Bernhard das Glück, nochmals während der Carnevalszeit in Venedig zu sein. Diesmal mit einer Filmequippe, die den Film "Signorina Mafalda" von Hermann Brödl abdrehte. Der Carneval hatte damals schon halb Venedig ergriffen, aber noch keine Völkerscharen angelockt, die diesem Treiben zusehen wollten. Bernhard schätzte sich glücklich, dass er diesen Carneval sozusagen noch im Urzustand erleben durfte. - Ich bitte Sie um Verständnis, dass diese sehr persönlichen Bilder Bernhards in Familienbesitz verbleiben.

In den beiden oberen Stockwerken sehen Sie Landschaften aus dem Aargau. Bis zu unserem Umzug nach Mülligen gab es, abgesehen von Radierzyklen, wenig Landschaftsbilder, die dann zumeist südlichen Charakter hatten und vielleicht von Bernhards Träumen sprachen, einmal im Süden leben zu können. Die Landschaft in und um Mülligen hat ihn sehr inspiriert und zu vielen Bildern Anregung gegeben. Auch Reussbilder sind entstanden, die dieses stellenweise wilde Gewässer zum Thema hatten. - Im kleinen Zimmer im ersten Stock habe ich ein Druckgrafikkabinett eingerichtet. Bernhard hat leidenschaftlich gerne radiert. 1983 machte er in Genua die ersten Versuche. Noch im gleichen Jahr hat er im süddeutschen Raum bei der Firma Breisch eine eigene Presse erstanden und unter abenteuerlichen Umständen nach Zürich transportiert. In Deutschland wurde nämlich der Tag der deutschen Einheit gefeiert, und der Zoll war eigentlich geschlossen. Irgendwie konnten Bernhard und Peter Bräuninger, der ebenfalls eine Presse gekauft hatte, den Zollbeamten erweichen, dass er das Verzollungsprozedere vornahm und die beiden weiterfahren liess. Im Laufe von nicht ganz 15 Jahren sind so über 750 Platten entstanden. Bernhards Auflagen waren, von einer Ausnahme abgesehen, immer sehr klein, auf 7 bis 21 Exemplare beschränkt. Kaum eine Platte ist ganz ausgedruckt, hatte Bernhard doch vor, die einzelnen Radierungen nach Bedarf nachzudrucken. Mehr als einmal hat mir Bernhard erklärt, dass nach seinem Tod die Druckplatten verstümmelt werden müssen, um zu verhindern, dass später unauthorisierte Drucke gemacht werden. Diese schwere Aufgabe steht mir immer noch bevor.

Bernhard war ein sehr zufriedener Mensch. Er brauchte kein Auto, keine teuren Kleider oder Uhren, um glücklich zu sein. Es war seine Arbeit, die ihm alles gab an Lebensfreude und Motivation. Und ganz besonders liebte er die Stunden nachts ab 22.00 Uhr, wenn ich schon zu Bett war und er ungestört seinen Ideen nachhängen konnte. Kein Laut aus der Siedlung, kein Telefon, das klingelte, keine Hausglocke, die an die Türe rief. Das waren die Stunden, in denen Bernhard am kreativsten war, er über neue Bilder und Zyklen nachdachte, um dann vor dem Zu-Bett-Gehen mit Tagebuchzeichnungen und Skizzieren sein Tagewerk zu beschliessen. Bernhard meinte hin und wieder, es würden ihm zehn Leben nicht reichen, um all das auszuführen, was er an Ideen in sich trage. Nun ist ihm nicht einmal ein durchschnittlich langes Leben vergönnt gewesen. Ich glaube aber, er hat aus diesen 56 1/2 Jahren alles herausgeholt, was möglich war. Er hat an seiner Kunst gefeilt und sie auf ein ganz hohes Niveau gebracht. Mit wie vielen Techniken hat er doch souverän gearbeitet und sie weiterentwickelt! Seine künstlerischen Ziele waren immer viel höher gesteckt als das bereits Erreichte.

Ich habe zu danken, Ueli Rüegg, dem Architekten dieser Siedlung, der sich mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat beim Einrichten dieser Ausstellung. Alice und Andreas Rösli, wo ich während des Vorbereitens der Ausstellung zum Mittagstisch geladen war. Sie haben uns heute auch den feinen Zopf mitgebracht. Meinem Lebensgefährten Albert Lemmenmeier, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht in allen Belangen des Nachlasses von Bernhard. Herzlichen Dank Ihnen allen, die Sie Bernhard und seine Arbeit nicht vergessen haben.

Ich möchte mit Worten von Bernhard schliessen, wie ich sie von ihm gehört und nie vergessen habe: "Die Kunst, sie ist mein ganzes Leben. - Es gibt noch viel zu tun." Auf die heutige Situation übertragen lauten diese Worte so: "Die Kunst, sie war sein ganzes Leben. - Es hätte für Bernhard noch viel zu tun gegeben."

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen viel Sehvergnügen mit Bernhards Bildern und Skulpturen.

Eva Sauter


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