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Eva Sauter (© Copyright):

Rede zur Ausstellung im Museum zu Allerheiligen

in Schaffhausen, 3. November 2002

Liebe Freunde der Kunst von Bernhard Sauter

Gestern waren es fünf Jahre her, dass Bernhard seine letzten Kräfte aufgeboten hatte, um trotz fortgeschrittenster Krankheit noch einmal eine Zeichnung zu Papier zu bringen. Ich sehe ihn immer noch vor mir, wie er halb sitzend, halb liegend auf unserem Kanapee im Wohnzimmer in grosser innerer Erregung den Zeichenstift übers Papier führte. Es entstand, wie ich erst später feststellte, ein Ungeheuer mit weit geöffnetem Rachen, mit einem Kranz von grossen Zähnen, bereit zum Verschlingen, der linke Arm ausgestreckt, die Hand zur Faust geballt, wie um zuzupacken, der rechte Arm am Rücken aufgestützt, Selbstbewusstsein demonstrierend. Für mich ist diese Zeichnung ein Sinnbild für den Krebs, der Bernhard zu besiegen drohte.

Tags zuvor, am 1. November 1997, stellte Bernhard noch einmal sich selbst dar in Person eines Trommlers. Er sitzt am Boden, neben sich eine kleine Trommel, in den Händen zwei Trommelschlegel.
Ratlos und wie nach geschlagener Schlacht blickt uns der Trommler an. Bernhard wusste und spürte, dass seine irdischen Tage gezählt waren. Es blieben ihm noch sechs schlimme Tage, die er klaglos meisterte, wie alles andere Schwierige und Schlimme auch in seinem Leben.
So direkt hat sich Bernhard selten in seinen Werken zur eigenen Situation dargestellt. Er hinterliess uns eine ganz und gar verschlüsselte Bildsprache, die zu seinem verschlossenen Wesen passte.

Die heutige Vernissage ist genau so, wie sie sich Bernhard immer gewünscht hat. Er muss nicht anwesend sein, seine Bilder sind, wie erwachsen gewordene Kinder, in die Selbständigkeit entlassen. Es ist die Stunde der Wahrheit, wo sie ohne ihren Meister bestehen müssen. Und ich bin ganz zuversichtlich, dass sie bestehen werden. Vernissagen waren für Bernhard immer eine grosse Belastung. Am liebsten wäre er zuhause geblieben und hätte im Atelier gearbeitet. Er argumentierte: „Was braucht es mich? Was zählt, sind nur die Bilder.“ Bernhard war kein Mensch, dessen oberstes Lebensziel Erfolg und Anerkennung waren; es ging ihm in allererster Linie um seine Kunst, der er alles unterordnete. Er hat sich nie um Ausstellungen bemüht, er ist keinen Kulturredaktoren nachgerannt und keinen Leuten, die Einfluss in der Kunstszene hatten. Er hoffte, dass sein Werk für sich selbst spreche und ihm den Weg für ein Weiterarbeiten ebne.

Ein Brief an Redaktor Wolfgang Schreiber der Schaffhauser Nachrichten, der eine Vorschau auf Bernhards Ausstellung in Rüdlingen im November 1995 bringen wollte, illustriert seine Zurückhaltung, die ihm so ganz und gar eigen war.

Lieber Wolfgang

Natürlich freut es mich, dass Du eine Notiz über mein „Spektakel“ plazieren willst. (Mit „Spektakel“ meinte Bernhard seine Ausstellung.) Obwohl, und darin hat sich nichts geändert, ist mir Oeffentlichkeit eher peinlich oder unheimlich. Erbitte demnach „kurze und schmerzlose Behandlung...“

Bernhard wurde am 30. März 1941 in Schaffhausen geboren. Wir haben uns im Herbst 1961 kennengelernt. Schon damals stand die künstlerische Tätigkeit voll in der Lebensmitte von Bernhard. Nach seiner Ganztagesarbeit bei Architekt Otto Isler, im Nebenzimmer übte fast täglich die spätere Pianistin Elisabeth Ulmer-Isler das 2. Klavierkonzert von Rachmaninov, ging er flugs in sein Atelier an der Stadthausgasse, um dort bis in alle Nacht hinein für sich zu arbeiten. Hier verbrachte er all seine Freizeit, seine Ferien und die Feiertage. Seit unserer Bekanntschaft habe ich Bernhards Werdegang als Künstler mit Ausnahme von dreiviertel Jahren, die er 1962/1963 in Spanien verbracht hat, aus allernächster Nähe mitverfolgen können. Mitte der 60er Jahre schon früh mit einer eigenen Familie konfrontiert, musste Bernhard seine künstlerische Tätigkeit in die Nachtstunden verlegen. Nebst den Wochenenden arbeitete er oft die ganze Nacht hindurch bis morgens um 4 Uhr und stand um 7 Uhr wieder auf, um zur Arbeit zu gehen. Etwas besser wurde es für Bernhard, als ich Ende der 60er Jahre halbtags wieder zu arbeiten anfing und auch er sein Pensum bei Architekt Martin Froelich auf eine Halbtagsstelle reduzieren konnte. Er war dann einer der allerersten Halbtagshausmänner weit und breit. Das war damals noch sehr ungewöhnlich, wenn nicht revolutionär, und wir hatten gegen viel Unverständnis zu kämpfen, vor allem von Seiten von Frauen, die Bernhard wissen liessen, es wäre seine Pflicht, seine Familie allein zu ernähren, statt seinem Hobby zu frönen.
Wirklich besser wurde die Arbeitssituation für Bernhard, als er in den 70er Jahren anfing, Filmausstattungen zu machen. Diese Filmarbeiten nahmen ihn zwei oder drei Monate ganz in Anspruch, dafür hatte er anschliessend wieder ein paar Wochen oder Monate Zeit für seine künstlerische Tätigkeit. Mit dem Umzug nach Mülligen 1988 fiel auch Bernhards Entscheid, sich ganz auf seine künstlerische Arbeit zu konzentrieren. Es blieben ihm noch 9 1/2 schöne und fruchtbare Jahre, in welchen er seinen Lebenstraum, sich ganz der Kunst zu widmen, verwirklichen konnte.

Bernhards Schaffen fand auch immer wieder Förderer. 1983 war es Max Baumann vom Vorstand des Kunstvereins, der Bernhard zu einer grossen und auch sehr erfolgreichen Ausstellung im Museum zu Allerheiligen verholfen hatte. Später waren es Tina Grütter und Hortensia von Roda, die sich für Bernhards Arbeit interessierten und einsetzten. Claudine Metzger hat diese Ausstellung mit grossem Engagement betreut. An dieser Stelle möchte ich den drei Damen Tina Grütter, Hortensia von Roda und Claudine Metzger ganz herzlich danken für ihr Interesse, ihren Einsatz und ihren Enthusiasmus für Bernhards Arbeit. Die Schaffhauser Nachrichten berichteten in all den Jahren immer wieder über Bernhards Wirken. Stadt und Kanton Zürich und die Steo-Stiftung haben ihn mit Förderpreisen bedacht. Die Arbeitsaufenthalte in Genua und Paris in den Ateliers von Stadt und Kanton Zürich waren künstlerische Höhepunkte in Bernhards Leben. Heute umrahmen Samuel Billetter, Fagott, Klaus Hütte, Oboe und Norbert Serke, Flöte, diese Vernissage mit Musik von Mozart sowie den Zeitgenossen Jiang Xiaofeng und Lothar Graf. Mein zweiter Mann Albert Lemmenmeier hat eine lose Bildfolge zusammengestellt, die Ihnen vor der Vernissage einen kleinen Einblick in Bernhards Schaffen gaben und meinen kleinen Vortrag illustrieren. Diesen vier Herren und Ihnen allen ein herzliches Dankeschön, dass Sie an dieser Vernissage teilnehmen und damit Ihre Verbundenheit mit Bernhard und seinem Werk bezeugen.

Ich möchte mit Worten von Bernhard schliessen, aus einem Text, den er 1993 zum Wesen des Bildes geschrieben hat:

Bilder sind immer still.
Sich einem Bild nähern heisst seine Stille suchen.

Ich ermuntere Sie, in die Stille von Bernhards phantastischen Bildwelten einzutauchen.

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